Mittwoch, 2. Mai 2018

| Rant | Die Endlichkeit des Augenblicks



Fakten


Originaltitel: -
Originalsprache: Deutsch
Autor: Jessica Koch
Erscheinungsdatum: 2017
Buchreihe: Einzelband
Seitenanzahl: 316 Seiten
 
Cover

Inhalt


Wenn du zwei Menschen zur gleichen Zeit liebst, dann entscheide dich immer für den zweiten, denn er hätte niemals dein Herz erobert, wenn der erste der Richtige gewesen wäre. (Johnny Depp)

Was aber, wenn du beide zur gleichen Zeit kennenlernst? Was, wenn es zwei Menschen sind, die eine große Last mit sich tragen? Eine Last, die sie wie ein unsichtbares Band miteinander verbindet?
Wenn dein Herz dich zu beiden zieht, wen würdest du wählen? Denjenigen mit den körperlichen oder denjenigen mit den seelischen Wunden? Würdest du dich überhaupt entscheiden, wenn du wüsstest, welche endgültigen Konsequenzen deine Wahl mit sich bringt? 
 

Meine Meinung

 
Ich habe die Danny-Trilogie von Jessica Koch geliebt. Der erste Teil „Dem Horizont so nah“ war 2017 sogar eines meiner Jahreshighlights! Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an ihr neues Buch „Die Endlichkeit des Augenblicks“ und ja, was soll ich sagen? Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so wenig gefallen würde. Dass ich es sofort verschenken würde, dass ich es hassen würde. Aber, leider, tue ich genau das.

Protagonistin dieses Buches ist Samantha, eine 25- jährige Frau, die sich benimmt, als wenn sie noch nicht mal ansatzweise die Pubertät erreicht hätte. Die Frau war einfach nur anstrengend; ihre Handlungen zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar, theatralisch, stellenweise anmaßend und einfach nur unausstehlich. Sie trifft die Freunde Basti* und Josh in einem Biergarten, kommt mit Basti ins Gespräch und findet ihn sympathisch.

Und dann sind wir auch schon beim ersten Date und Sam denkt in Endlosschleife daran, dass sie sich ja nicht ihr Leben lang um Basti kümmern möchte, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Hier hat es mir gefallen, wie realistisch der Alltag eines Rollstuhlfahrers dargestellt wird. Das ist aber auch schon fast der einzige Pluspunkt in der Geschichte. Zumal das auch von Sams Gedanken überdeckt wird; der Mann ist ganz prima ohne sie klargekommen, das wird er auch weiterhin!

Denn jetzt geht der Blödsinn erst richtig los. Basti ist querschnittsgelähmt, seit er im Alter von 20 im Vollsuff mit seinem besten Freund Josh auf einer Balkonbrüstung balanciert ist. Die beiden sollten aneinander vorbeigehen – warum auch immer man auf so eine Scheiße kommt, nicht mal besoffen, würde ich das lustig finden – haben sie logischerweise nicht geschafft (Physik und so) und sind beide abgestürzt. Basti neun Meter in die Tiefe, Josh ist quasi wieder auf den Balkon raufgefallen. Dass Josh diesbezüglich Schuldgefühle empfindet, kann ich ja noch irgendwo nachvollziehen, aber sein restliches Verhalten? Keineswegs! Mir war selten ein Charakter so dermaßen unsympathisch wie dieser abgefuckte Spinner.

Basti hat sich, sieben Jahre später, mit seinem Zustand abgefunden und ist ein eher positiver Mensch. Sein Kumpel Josh ist ein verdammtes schwarzes Loch! Da man die Geschichte aus allen drei Perspektiven liest, weiß man ganz genau was in dessen Hirn vor sich geht. Er hat schwere Depressionen, die nicht nur dem Unfall, sondern auch dem frühen Verlust seiner Mutter und der Unfähigkeit der Kindererziehung seines Vaters geschuldet sind. So und jetzt mal Hand aufs Herz: Depressionen haben ist scheiße. Es ist anstrengend, demotivierend, manchmal aussichtslos. Man fühlt sich leer und taub und alles was einem Freude bereitet hat, ist plötzlich belanglos und unwichtig. Denn es endet ja eh irgendwann alles. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich den Scheiß nämlich seit fünf Jahren habe! Aber die Aktionen die Josh bringt, sind nicht die Affekthandlungen eines Depressiven; das sind die Taten eines Arschloches! Zum Beispiel, erpresst er seinen besten Freund emotional und rammt sich dann einfach mal ein Messer in den Oberschenkel. Um mal ein Beispiel zu nennen, aber zu dem Jungen gleich mehr …

Ich konnte die Freundschaft der Beiden zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen. Da war absolut nichts spürbar. Zwei Menschen die sich seit ihren Sandkastentagen kennen und ihre Freundschaft durch die Schule, das Teenagerleben, die erste Dekade des Erwachsenenseins und vielen Problemen, dazu einem tragischen und ausschlaggebenden Unfall getragen haben, sollten definitiv etwas gestärkt in ihren Grundmauern sein. Sind sie nicht. Basti macht sich pausenlos Sorgen um Josh, Josh heult die ganze Zeit rum, dass alle ihn hassen und verlassen. Obwohl Basti seit sieben Jahren immer und immer wieder zeigt dass er eben das nicht tun wird.

Basti und Samantha sind übrigens schon beim „Ich liebe dich“ angekommen. Hab ich jetzt nicht als erwähnenswert empfunden, weil das findet die Autorin ja auch nicht wichtig. Sie lieben sich halt einfach, muss der Leser so akzeptieren.
Josh lebt seine Abgefucktheit in vollem Maße aus. Er geht zum Geburtstag seines Vaters, wird von dem angebrüllt, geht nach Hause und versucht sich das Leben zu nehmen.


Versteht mich nicht falsch; ich kann sehr wohl die Hilflosigkeit eines Depressiven, suizidgefährdeten Menschen verstehen. Aber was ich nicht verstehen kann ist, wie das in „Die Endlichkeit des Augenblicks“ dargestellt wird. Das liegt leider auch daran, dass Josh zu wenig Raum als Erzähler gegeben wird. Man kann sich einfach nicht mit seinem Charakter anfreunden; er wirkt überwiegend einfach nur desinteressiert und leicht verrückt, vor allem wenn er mit den Bildern seiner Mutter redet und die Bilder der Freundin seines Kumpels ausgedruckt hat, um auch mit ihr zu quatschen. Jedenfalls, versucht Josh sich also umzubringen …

Dann diese Szene im Krankenhaus, nachdem Josh versucht hat sich das Leben zu nehmen. Sam, hohl wie sie ist, beschließt einfach, dass Josh nicht in die Psychiatrie gehört. Äh, Verzeihung? Ist sie eine Therapeutin oder wieso kann sie das entscheiden? Der Junge gibt sich an allem die Schuld, ein Streit mit seinem Vater wirft ihn so aus der Bahn, dass er Abgase schnüffelt und wenige Tage zuvor hat er sich ein fucking Messer in den Oberschenkel gerammt. Wenn der Junge irgendwo hingehört, dann genau dorthin: in die Psychiatrie!

Und dann diese Darstellung der Psychiatrie! Als wenn das was total Grausames wäre, wo du einmal reingehst und nie wieder in einem Stück rauskommst. Ich bezweifle, dass die Autorin jemals einen Fuß in die Nähe einer Psychiatrie gesetzt hat! Das ist nicht wie in den Filmen, wo alle heulend und schreiend durch die Gegend rennen oder apathisch in der Ecke sitzen. Ja, die gibt es. Aber die sind die Ausnahme. Dort sind ganz normale Menschen, die einfach ein paar Probleme haben mit ihren derzeitigen Lebensumständen klarzukommen oder ein tief sitzendes Trauma aus der Vergangenheit nie verarbeitet haben. Und diese Menschen sind meist einfühlsamer und ehrlicher als manch einer der draußen „gesund“ herumrennt …

Als Josh nach drei Tagen aus der psychiatrischen Beobachtung entlassen wird, wird er von seinem Kumpel Basti abgeholt. Und jetzt geht der Spaß erst richtig los. Josh blafft Basti an, dass er ja wusste, dass er in Sam verliebt ist und sich mal wieder vorgedrängelt hat. Und dass er das nicht mit sich machen lässt und dieser ganze theatralische Blödsinn, der in ungefähr so viel Sinn ergeben hat, wie bei einem Regenschauer sein Auto zu waschen.

Basti fliegt dann in den Urlaub; einen Urlaub, den er schon lange vor seinem ersten Treffen mit Sam geplant hat (wir sind übrigens schon im Sommer, das Buch begann im Frühling). Er ist mit vier Freunden nach Andalusien gereist, um dort halt zu entspannen. Und Sam regt sich die ganze Zeit auf, dass Basti sich ja von ihr distanziert, weil er ja nur WhatsApp-Nachrichten schreibt. Der Arsch geplatzt ist mir dann, als sie sich zwei Seiten darüber auslässt, dass Basti „Na du? Alles Klar?“ geschrieben hat. Das machen ja nur „Holzfällerkollegen“ und „Ghetto-Kids“ … Wieso? Was soll das? Der Junge ist am anderen Ende der Welt im Urlaub und das ist kein Hotelurlaub, das ist ein Backpacking-Urlaub. Wünsch ihm eine schöne Zeit und gut ist! Sei froh, wenn er in seinem Urlaub an dich denkt und dir morgens Nachrichten schickt. Und für dich nicht auf wie die Prinzessin auf der Erbse. Meine Fresse, das ist die Definition einer Übertreibung gewesen!

Patricia, eine der Freundinnen, mit denen Basti im Urlaub ist, nimmt ihm das Handy weg, weil sie will, dass er sich mal entspannt. Abends gibt sie ihm das dann wieder. Er liegt im Bett, sie sitzt auf der Bettkante und die unterhalten sich noch. Ein weiterer Kumpel macht davon ein Foto und lädt das bei Facebook hoch. Das sieht Sam und kriegt sofort den Rappel schlechthin. Hält es aber nicht für nötig ihrem Lover mal zu schreiben oder so.

Nene, die freundet sich immer weiter mit Josh an, der plötzlich Clowns frühstückt und von einem Tag auf den anderen seine schweren Depressionen überwunden hat. Dann finden die beiden auch noch einen dreibeinigen Hund im Busch und machen Familienfotos für Joshs Wohnung und so ein Blödsinn.

Basti kommt aus dem Urlaub wieder und Sam macht mitten auf der Straße beim ersten Wiedersehen mit ihm Schluss. Weil er hat sie ja „vernachlässigt und betrogen“, sagt aber selbst auf der nächsten Seite, dass sie ja weiß, dass Basti sie nicht betrogen hat. Das war dann der Moment, in dem ich mein Buch anzünden wollte; leider saß ich gerade in der Straßenbahn und wollte nicht wegen Brandstiftung festgenommen werden.

Zu der Zeit häufen sich dann auch immer mehr die Möchtegern philosophischen Sprüche. Die Autorin bleibt anscheinend regelmäßig bei Pinterest hängen; alle waren mir davon nämlich bekannt und sind typische Aufbau-Sprüche, die man bei Tumblr teilt.

Sam und Josh nähern sich immer weiter an, Basti wird zu einem ungeliebtem Statisten degradiert. Und dann geht die Geschichte noch mehr den Berg hinab. Ja, meine Freunde, das geht! Josh und Sam saufen innerhalb von fünf Minuten eine Sektflasche und eine Schnapsflasche und fangen an Hanky Panky zu betreiben.

Und kurz bevor er in sie reinslidet zieht er das Kondom wieder aus, weil ihr Herzenswunsch ist ja ein Kind! Meine Damen und Herren, jegliche sexuelle Handlungen, die nicht in beiderseitigem Einverständnis geschehen sind sexueller Missbrauch! Das ist nicht romantisch, das ist nicht toll. Das ist unehrlich, verwerflich und eine verdammte Vergewaltigung! PUNKT! Und das wird aber nicht mal so dargestellt. Nein, er hatte ja gute Absichten. Wie war der Wortlaut? Irgendwas mit Verhalten von einem Arschloch, aber die Absichten eines Samariters. NEIN! NEIN! NEIN! Wenn ich jetzt auf die Straße gehe und jemandem den Kopf abhacke, weil er heute Morgen seine Frau angeschrien hat, dann bin ich trotzdem ein fucking Mörder! Ich wollte im Strahl kotzen!

So es kommt, wie es kommen muss, Sam wird schwanger. Basti ist abends alleine spazieren. Und er wird von vier Typen überfallen. Basti und Josh haben quasi gegenüber voneinander gewohnt. Josh sieht das aus dem Fenster, weil das Universum ihn zum Beobachten genau an die richtige Stelle positioniert hat, um dem ganzen Spektakel beizuwohnen. Und er sieht das seine Atze, die inzwischen nicht mehr seine Atze ist, verprügelt wird.

Er nimmt einen Holzstuhl, drischt den gegen die Wand und geht mit seinem improvisiertem Schlagholz nach unten und verprügelt die. Er kriegt natürlich keinen einzigen Kratzer ab; ist ja egal, dass er bisher ein depressiver Haufen Scheiße war und sich nicht mal geduscht hat, aber er ist natürlich der King des Kampfsportes. Dann wird Josh von einem der Typen vor ein Auto geschubst. Josh fällt ins Koma, dann ist er plötzlich Hirntod. Die Maschinen werden abgestellt. Das war, dann glaube ich die Stelle, an der man weinen sollte aber alles was ich denken konnte war: „Wann ist der Scheiß endlich vorbei?“

Das Ende vom Lied ist, dass Sam von Josh schwanger ist. Wird aber mit Basti zusammen das Kind aufziehen. Weil … ist halt so. Weil wegen ist so. Musste jetzt schlucken. Und das waren die dämlichsten 316 Seiten, die ich dieses Jahr lesen durfte.
 
 
 1/5 Sternen
 
 
 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen