Freitag, 5. Januar 2018

| Rezension | Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken



Fakten 

 
Originaltitel: Turtles all the way down
Originalsprache: Englisch
Autor: John Green
Erscheinungsdatum: 2017
Buchreihe: Einzelband
Seitenanzahl: 284 Seiten
 
englisches Cover

deutsches Cover
 



 Inhalt


Die 16-jährige Aza Holmes hatte ganz sicher nicht vor, sich an der Suche nach dem verschwundenen Milliardär Russell Pickett zu beteiligen. Sie hat genug mit ihren eigenen Sorgen und Ängsten zu kämpfen, die ihre Gedankenwelt zwanghaft beherrschen. Doch als eine Hunderttausend-Dollar-Belohnung auf dem Spiel steht und ihre furchtlose beste Freundin Daisy es kaum erwarten kann, das Geheimnis um Pickett aufzuklären, macht Aza mit. Sie versucht Mut zu beweisen und überwindet durch Daisy nicht nur kleine Hindernisse, sondern auch große Gegensätze, die sie von anderen Menschen trennen. Für Aza wird es ein großes Abenteuer und eine Reise ins Zentrum ihrer Gedankenspirale, der sie zu entkommen versucht.

 

Meine Meinung


Ich habe mich sehr auf das neue Buch von John Green gefreut. Ich bin jetzt kein absoluter Hardcorefan, aber „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ und „Eine wie Alaska“ haben mir, damals schon, gefallen. Als ich dann erfahren habe, dass die Protagonistin eine psychische Störung haben soll, war ich noch interessierter.

Die Kritiken sind ja stellenweise euphorisch, vor allem die Darstellung von Azas Krankheit wird in den Himmel gelobt. Zwangsneurosen, Panikattacken, Depressionen. Zum Glück hab ich alle drei Dinge und darf meinen Senf in jeder Hinsicht hinzugeben. Ich stecke voll in der Materie drinnen und das ist glaube ich auch der Grund warum ich mit dem Buch nicht so wirklich klarkam.

Zunächst einmal bin ich der Meinung, dass die ganze Story mit dem verschwundenem Papi vollkommen überflüssig war. Überflüssig, langweilig und einfach mal komplett sinnlos. Zumal dieser Teil der Handlung im Mittelteil völlig fallen gelassen wurde, um am Ende mit einem fragwürdigen Ausgang in die Fresse des Lesers gedonnert zu werden.

Entgegen vieler anderer Meinungen jedoch, fand ich es überhaupt nicht seltsam oder unverständlich weshalb Aza an der Freundschaft zu ihrer Besten (den Namen hab ich schon vergessen) festgehalten hat und sich mit ihr aussöhnte.
Ja, es war nicht die feine englische Art, aber auch nichts Schlimmes. Es wurde drüber geredet, sich entschuldigt, das eigentliche Grundproblem wurde behandelt und fertig. Genau so funktionieren Freundschaften. Genauso werden Fehler behandelt. Ich fand es sogar richtig gut wie erwachsen und verständnisvoll beide Parteien da aufeinander zugegangen sind. Und dazu kommt noch, dass besagte beste Freundin einfach mal Recht hatte. Schonmal 'ne Freundschaft mit einer Bekloppten geführt? Es IST anstrengend. Es IST ein ständiges Auf und Ab, die Krankheit ist ständig Thema, lauert in jeder Ecke, ist Bestandteil jedes Gespräches. Es ist halt ein Teil des Lebens, ein sehr großer Teil, wenn man es zulässt oder gerade mitten in einer schlimmen Phase steckt.
Diese Akzeptanz und Vergebung zwischen Aza und ihrer Besten haben mir an dem Buch noch mit am besten gefallen.

Ganz anders als die Darstellung der Krankheit. Jeder Mensch ist anders, jeder Krankheitsverlauf ist anders. Symptome, Gedanken, Macken. All das muss individuell betrachtet werden. Dass ist mir klar, allerdings heißt das nicht dass ich diese absolute Lehrbuchsymptomatik als total treffend beschrieben anerkennen muss. Noch dazu hat mich die gesamte Einstellung/Sichtweise auf solch eine Krankheit gestört.
Eine psychische Erkrankung ist meist lebenslang, allerdings finde ich es doch überspitzt, dass es dargestellt wird als würde das Leben mit einer solchen Krankheit ein Gefängnis ohne Ausgang sein.
Wenn man sich einsperren lässt, sich in die Ecke setzt und heult, nicht mal versucht auszubrechen – ja, dann ist es ein Gefängnis. Die Entscheidung ob man ausbrechen will liegt bei einem selbst. Es ist auch nicht leicht, es ist sogar richtig schwer. Aber es ist möglich.
Sicherlich sollte das nur darstellen in was für einer schlechten Verfassung Aza sich befindet, wenn da nicht das Ende gewesen wäre, in dem ja nochmal auf die Krankheit eingegangen wird und wie sie sich weiterentwickeln wird.

Ich hatte allgemein ein Problem mit Azas Einstellung. Sie suhlt sich im Selbstmitleid, verfängt sich in ihren Gedankenstrudeln und reitet sich immer aktiv in ihre Zwangsgedanken und Panikattacken hinein. Da ich an einem Punkt meiner Heilung bin, an der ich Panikattacken mit genügend Ruhe weg atmen und Zwangsgedanken gedanklich als Zug wegfahren lassen kann, musste ich ab und zu doch den Kopf schütteln. Nicht, aufgrund von fehlendem Verständnis. Sondern einfach, weil ich noch genau weiß wie es mir damals erging und wie kompliziert es war, einfach nur herauszufinden DASS ich mich hineinsteigere.

Jedoch, hat mir die Szene im Krankenhaus, in der Aza Desinfektionsmittel trinkt, richtig gut gefallen. In dieser Szene hat John Green treffend geschildert, dass man sich durchaus darüber im Klaren ist was man eigentlich gerade für Blödsinn denkt, wie irrational und abwegig dass alles ist. Aber man macht es trotzdem. Einfach mal man nicht weiß, was man sonst tun soll.

Und hätte der Autor sich auch nur darauf konzentriert, denn das Thema beinhaltet genügend Potenzial, um eine umfangreiche Geschichte zu erzählen, dann hätte das alles schon ganz anders ausgesehen. Die ganze Sache mit Daddy, war wie gesagt ablenkend, wenn man es nicht schon vergessen hatte – wofür ich vollstes Verständnis habe.

Ebenso deplatziert wirkte diese erzwungene, hölzerne Romanze zwischen Aza und Davis. Ein, zwei Szenen haben nochmal Azas Krankheit hervorgehoben. Aber sonst? Keine Chemie, die Dialoge stellenweise zum Fremdschämen und dieses ständige philosophieren ging mir nach dem dritten oder viertem Gespräch nur noch auf die Nerven. Wenn man mal wieder dalag, sich die Sterne anguckte und ohne Punkt und Komma laberte.
John Green hat es ja sowieso mit Charakteren die einen Monolog zusammen quatschen, aber im Grunde eine Aussage treffen, die jeder andere mit fünf Wörtern getroffen hätte.

 

Fazit


Zum Schluss bleibt also nur zu sagen, dass ich enttäuscht bin von „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“. Ich habe kein Meisterwerk erwartet, aber enttäuscht bin ich dennoch von einer unausgereiften Geschichte mit überspitzten Charakteren und teils sinnlosen Handlungssträngen.

 2,5/5 Sternen


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